ESG

ESG – Taxonomie im Überblick

Die Taxonomie-Verordnung konkretisiert den Begriff der ökologischen Nachhaltigkeit. Technische Bewertungskriterien werden detailliert festlegen, wann und in welchem Umfang eine Wirtschaftstätigkeit tatsächlich „grün“ ist. Dies soll „Greenwashing“ vermeiden, also die Vermarktung eines Finanzprodukts als umweltfreundlich, obwohl es grundlegenden Umweltstandards nicht entspricht. 

Ökologische Nachhaltigkeit

Die Mitgliedstaaten und die Europäische Union können bestimmen, in welchen Bereichen der Nachhaltigkeitsbegriff der Taxonomie-Verordnung Anwendung finden soll. Aktuell ist dies u.a. für den EU Green Bond Standard und das EU ECO Label geplant. 

Grad der Nachhaltigkeit

Zur Ermittlung des Grades der ökologischen Nachhaltigkeit einer Investition im Rahmen der Taxonomie-Verordnung gilt eine Wirtschaftstätigkeit als ökologisch nachhaltig, wenn sie einen wesentlichen Beitrag zur Verwirklichung eines oder mehrerer Umweltziele leistet, nicht zu einer erheblichen Beeinträchtigung eines oder mehrerer Umweltziele führt, unter Einhaltung des Mindestschutzes ausgeübt wird und technischen Bewertungskriterien entspricht.

Für jedes Umweltziel legt die Taxonomie-Verordnung (nebst technischer Bewertungskriterien) fest, was genau unter einem wesentlichen Beitrag zur Verwirklichung dieses Ziels zu verstehen ist. In Bezug auf das Umweltziel Klimaschutz ist dies z.B. der Fall, wenn die Wirtschaftstätigkeit wesentlich dazu beiträgt, die Treibhausgaskonzentrationen in der Atmosphäre auf einem Niveau zu stabilisieren, das eine gefährliche anthropogene Störung des Klimasystems verhindert. Ein solcher Beitrag kann beispielsweise durch folgende Maßnahmen erzielt werden:

  • Erzeugung, Übertragung, Speicherung, Verteilung oder Nutzung erneuerbarer Energien
  • Steigerung von Energieeffizienz
  • Ausbau sauberer und klimaneutraler Mobilität
  • Umstellung auf erneuerbare Materialien mit nachhaltiger Herkunft
  • Verstärkte Nutzung umweltverträglicher Technologien

Transitional & Enabling

Ein wesentlicher Beitrag kann auch durch den Einsatz von Technologien erfolgen, die eigentlich nicht „grün“ jedoch aktuell unverzichtbar sind (Transitional), und durch Wirtschaftstätigkeiten, die den Einsatz grüner Technologien erst ermöglichen (Enabling). In beiden Fällen gelten enge Grenzen. 

Erhebliche Beeinträchtigung eines Umweltziels

Eine Wirtschaftstätigkeit ist nicht schon dann für Zwecke der Taxonomie-Verordnung ökologisch nachhaltig, wenn sie einen wesentlichen Beitrag zur Erreichung mindestens eines Umweltziels leistet, sondern erst dann, wenn sie auch kein anderes Umweltziel erheblich beeinträchtigt. So soll sichergestellt werden, dass die Erreichung eines Umweltziels nicht zu Lasten anderer Umweltziele gefördert wird. Bei der Betrachtung ist jeweils auf den gesamten Lebenszyklus der durch eine Wirtschaftstätigkeit bereitgestellten Produkte und Dienstleistungen abzustellen.

Hierzu sind häufig Daten entlang der Lieferketten neu zu erheben und zu bewerten. Erleichterung bringt insoweit möglicherweise, dass für Produkte, die lediglich mit ökologischen Merkmalen beworben werden (Art. 8 Disclosure-Verordnung), ohne selbst nachhaltige Investitionen anzustreben (Art. 9 Disclosure-Verordnung) und ggf. auch bei der Bestimmung der Nachhaltigkeit für Zwecke des neuen MiFID II-Zielmarkts, solche negative Auswirkungen (zunächst) nicht zwingend ausgeschlossen werden müssen. 

Insight

Das Umweltziel Klimaschutzes kann beispielsweise durch die Emission von Treibhausgasen beeinträchtigt werden. Eine Beeinträchtigung des Umweltziels Schutz der Wasser- und Meeresressourcen kann in der Schädigung des guten Zustands oder guten ökologischen Potenzials von (Meeres-)Gewässern liegen. In Bezug auf das Umweltziel Biodiversität und Ökosysteme kommt u.a. eine Schädigung der Widerstandsfähigkeit der Ökosysteme oder des Erhaltungszustands der Lebensräume und Arten in Betracht.

Mindestschutz

Eine Wirtschaftstätigkeit ist darüber hinaus nur dann ökologisch nachhaltig, wenn sie in Übereinstimmung mit sozialen Mindeststandards und einer guten Governance-Struktur erbracht wird. Unternehmen, deren Wirtschaftstätigkeiten als ökologisch nachhaltig eingestuft werden soll, müssen sich daher auch mit diesen Anforderungen auseinandersetzen und künftig fortlaufend deren Einhaltung überwachen. Die Taxonomie-Verordnung legt im Detail fest, welche internationalen und europäischen Standards insoweit mindestens zu beachten sind. Insbesondere sind die folgenden Standards einzuhalten:

  • OECD-Leitsätze für multinationale Unternehmen 
  • Leitprinzipien der Vereinten Nationen für Wirtschaft und Menschenrechte
  • Internationalen Charta der Menschenrechte

Sorgfaltspflichten

Erforderlich ist die Schaffung einer Governance-Struktur für ökologische und soziale Belange. Sorgfaltspflichten und Verantwortlichkeiten müssen definiert werden, um die Einhaltung der neuen Anforderungen und deren Prüfung sicherzustellen.  

Offenlegung ökologischer Nachhaltigkeit

Unternehmen, die nichtfinanzielle Angaben veröffentlichen, sind künftig verpflichtet, in ihrer nichtfinanziellen Erklärung oder der konsolidierten nichtfinanziellen Erklärung Angaben darüber zu machen, wie und in welchem Umfang die Tätigkeiten des Unternehmens mit Wirtschaftstätigkeiten verbunden sind, die als ökologisch nachhaltig eingestuft werden. Zwei neue Kennzahlen stehen insoweit im Vordergrund: 

  • Der Anteil der Umsatzerlöse, der mit Produkten oder Dienstleistungen erzielt wird, die mit Wirtschaftstätigkeiten verbunden sind, die als ökologisch nachhaltig einzustufen sind. 
  • Der Anteil der Investitionsausgaben und, soweit zutreffend, der Anteil der Betriebsausgaben im Zusammenhang mit Vermögensgegenständen oder Prozessen, die mit Wirtschaftstätigkeiten verbunden sind, die als ökologisch nachhaltig einzustufen sind.

Die erste Kennzahl ist ein Maß dafür, in welchem Umfang die Wirtschaftstätigkeit bereits „grün“ ist. Die zweite Größe bringt zum Ausdruck, welche Investitionen auf dem Weg zu einer stärkeren, ökologischen Nachhaltigkeit aktuell getätigt werden. Im Finanzsektor werden die Kennzahlen durch eine Green Asset Ratio ersetzt.

Insight

Die aus einem Jahresabschluss abgeleiteten, finanziellen Größen sind nur bedingt zur Beurteilung der ökologischen Nachhaltigkeit geeignet. Steigen beispielsweise die Preise für CO2-Filter, erhöhen sich auch die damit zusammenhängenden Investitionsausgaben des Unternehmens, nicht aber notwendigerweise auch die Filterleistung: Ein doppelt so teurer Filter erbringt nicht notwendigerweise die doppelte Leistung. Dies kann Anreize setzen, teure, aber nicht notwendigerweise effektive Investitionen zu tätigen. Ähnliche Probleme ergeben sich bei den Umsatzerlösen. Sie enthalten neben den Kosten der verkauften Produkte und Dienstleistungen auch einen Aufschlag (mark-up), der sich unter anderem aus der Marktmacht des Unternehmens ergibt. Verkaufen also zwei Unternehmen die gleiche Anzahl an Produkten aus derselben ökologisch nachhaltigen Tätigkeit, wird das Unternehmen mit der größeren Marktmacht (und daher höheren erzielten Verkaufspreisen) sich ökologisch nachhaltiger darstellen können.

Alternative Green Bonds

Charakteristisches Merkmal aller Green Bonds ist die ausschließliche Verwendung des Emissionserlöses zur Finanzierung nachhaltiger Projekte. Green Bonds ermöglichen die Emission 100% grüner Anleihen daher auch dann, wenn die Wirtschaftstätigkeit des Emittenten an sich nicht (vollständig) "grün" ist.  

EU Green Bond Standard

Am 6. Juli 2021 veröffentlichte die EU-Kommission den Entwurf einer Verordnung über Green Bonds. Der Entwurf knüpft die Emission von Green Bonds an die Vorgaben der Taxonomie-Verordnung mit dem Ziel, Greenwashing zu vermeiden. Emittenten können künftig entscheiden, ob sie Green Bonds unter dem neuen EU Green Bond Standard (EU GBS) oder unter (allgemeineren) Industriestandards ermittieren.

Alle Green Bonds verfügen bereits heute im Wesentlichen über vier Kernkomponente, auf die auch der EU Green Bond Standard künftig abstellen wird:

  • Verwendung der Emissionserlöse (Use of Proceeds)
  • Prozesse zur Projektbewertung und -auswahl (Process for Project Evaluation & Selection)
  • Management der Erlöse (Management of Proceeds)
  • Berichterstattung (Reporting)

Insight

Für die Qualifikation der Green-Bonds als „green“ ist ausschließlich die Mittelverwendung aus den Green Bonds entscheidend, nicht die Wirtschaftstätigkeit des Emittenten an sich.