Deutschland hatte es versäumt, die EU-Whistleblowing-Richtlinie umzusetzen - jetzt hat Bundesjustizminister Marco Buschmann einen neuen Entwurf für ein Hinweisgebergesetz (HinSchG) fertiggestellt.
Der neue Gesetzentwurf soll noch im Juni 2022 vom Kabinett beschlossen werden und spätestens im Herbst 2022 in Kraft treten. Es ist nicht verwunderlich, dass der neue Entwurf einen weiten Geltungsbereich hat und über die EU-Vorgaben hinausgehende Regelungen vorsieht.
Eine lange Vorgeschichte
Spätestens am 17. Dezember 2021 hätte die EU-Richtlinie ((EU) 2019/1937) von den EU-Mitgliedstaaten in nationales Recht umgesetzt werden müssen. Ende April 2021 wurde der letzte Entwurf des deutschen Hinweisgebergesetzes (HinSchG) von der Bundesregierung abgelehnt. Seitdem steckt das Thema im Gesetzgebungsverfahren fest und die EU-Kommission hat inzwischen ein förmliches Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland eingeleitet. Die Ampel-Koalition musste sich daher schnell mit dem Thema befassen, um Sanktionen zu vermeiden. Auch ist festzustellen, dass es in Deutschland bis heute kein einheitliches Schutzgesetz für Whistleblower gibt; ein expliziter Kündigungsschutz für Whistleblower ist gesetzlich nicht vorgesehen.
Was ist das Ziel des HinSchG?
Ziel des HinSchG ist es, die Aufdeckung von Straftaten zu verbessern und illegale Handlungen und Verhaltensweisen zu verhindern, indem Hinweisgeber besser und effektiver vor Repressalien und Unternehmen vor falschen Anschuldigungen geschützt werden. Während größere Unternehmen seit langem entsprechende Meldekanäle und Compliance-Systeme eingerichtet haben, fehlt es kleineren und mittleren Unternehmen immer noch an solchen Meldewegen und wirksamen Stellen für Hinweisgeber.
Zur Erleichterung des künftigen Verwaltungsaufwands sieht der neue Gesetzesentwurf flexible Optionen vor. So ist die Beauftragung von Drittdienstleistern - beispielsweise Anwaltskanzleien - zur Unterstützung bei der Einhaltung der Vorschriften zulässig. Konzernunternehmen sollen interne Meldestellen zentral bei der Muttergesellschaft – gewissermaßen auf höchster Konzernebene - ansiedeln und nutzen dürfen. Darüber hinaus sieht das Gesetz externe Meldestellen für jene Hinweisgeber vor, die ihrem Arbeitgeber nicht vertrauen. Die externe Meldestelle soll beim Bundesamt für Justiz (BfJ) eingerichtet werden, das gleichzeitig als interner Meldeweg für den öffentlichen Sektor dienen soll. Nur in Ausnahmefällen und unter strengen Voraussetzungen, wie z.B. bei Gefahr im Verzug oder irreversiblen Schäden, dürfen sich Whistleblower direkt an öffentliche Stellen wenden.
Arbeitgeber sollten vorbereitet sein
Alle Unternehmen, die weder eine "Hotline" für Whistleblower noch andere interne Meldewege eingerichtet haben, sollten sorgfältig Maßnahmen zur Einrichtung interner Meldewege erwägen, die für alle Mitarbeiter zugänglich sind und eine unabhängige Entscheidungsfindung durch geschultes und professionell ausgebildetes Personal gewährleisten. Entweder durch wirksame interne Meldewege oder extern durch Dritte wie externe Anwälte oder andere Ombudsleute. Es wird dringend empfohlen, bestehende Meldesysteme und -kanäle zu überprüfen und gegebenenfalls zu korrigieren, zu ergänzen oder zu ändern. Beachten Sie dabei immer auch mögliche zwingende Mitbestimmungsrechte bestehender Betriebsräte nach § 87 Abs.1 Nr. 1 und Nr. 6 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG).
Der Zeitaufwand und die damit verbundenen Kosten sollten von den Unternehmen nicht unterschätzt werden. Die Maßnahmen beginnen mit der Definition von Meldekategorien, der Beschreibung von Eskalationsprozessen, dem Beginn von Tests über "dry-runs" bis hin zur endgültigen Einführung der Hinweisgebersysteme. Interne Kommunikation und der erfolgreiche Vertrieb von Hinweisgebersystemen erfordern professionelle Expertise und Erfahrung.